Roland Balzer                       Alte Gedichte

 

Ich hatte schon vergilbte Blätter

per Zufall einmal noch in meiner Hand

und las und wußte und verstand

mich selbst in alten ungewohnten Lettern.

 

Mir war als hätt’ ich abgelaufne Sternenkarten

mit Sonnen, Monden, Zeichen die am Himmel stehen

vor mir, und könnte in ein Leben sehen,

das Suchen ist, und Hoffen – Warten.

 

Es blieb nicht eine Spur bestehen

und jener Augenblick verging in dunklen Wettern,

in Müdigkeiten, Abschied, fremden Wehen

 

Mein Schicksal – Suchen – das verschwand,

Gott selber war es, der mich weise narrte,

den ich fand und fand und fand.

 

 

Aus „Septemberrevolution“

erschienen im Rabenrat-Verlag

 

 

 

 

 

 

Roland Balzer                       Die Hand

 

So wie an blauen Sommernachmittagen

am Himmel einzeln eine Wolke steht,

die, kaum sich bildend, bald schon fortgeweht,

den Himmel schmückt anstatt zu klagen,

 

Ist unbefangen, frei von Zagen,

die Hand, die mutig Neues sät,

sie dauert nicht, daß ihre Zeit vergeht,

und ihre Regung will nur sagen:

 

Ich traue dem kommenden Regen

und dem Herzen der gewaltigen Winde,

den Wirken von fernen Segen

 

von denen ich gelinde,

berührt bin, um mich zu bewegen,

und mich so gebend überwinde.

 

 

                                              

Aus „Septemberrevolution“

erschienen im Rabenrat-Verlag

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Roland Balzer                       Die Rosen im November

 

Da fallen noch die Sonnenstrahlen

an eine Mauer, die vorm Winde schützt,

auf das Köpfchen eines weißlich fahlen

Lebens, das auf Dornenranken stützt.

 

Geradeauf empor die Purpurglut

im Wettlauf mit der Dunkelheit,

ein Kelch wie Lippen voller Glut,

der leben will ich leben – schreit.

 

So weiß wie Schnee, so rot wie Blut,

so schwarz wie Holz von Eben.

So dornenschwankend unser Mut.

 

Auch der November kennt die Rosen,

die, wie ein erstes Hoffen Beben,

erblühen in des Herbststurms Tosen

 

 

 

Aus „Septemberrevolution“

erschienen im Rabenrat-Verlag

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Roland Balzer                       Primavera

 

Die schmale hohe Gasse

aus florentiner Zeit gebaut

birgt freundlich noch das Blasse,

das Primavera zugeschaut,

 

die, weite Himmel labend,

sich Morgen, Tag und Nacht erschuf.

Geblieben ist der Abend,

der aufgegeben den Beruf.

 

Verlassen von den Grazien,

von keines Meisters Hand berührt,

still und gereiht blühn die Akazien

 

im Hof der steigt, wie jene Schmerzen,

die einer hat, der Primavera spürt

oder erwacht zu seinem Herzen.

 

 

 

Aus „Septemberrevolution“

erschienen im Rabenrat-Verlag

 

 

 

 

 

Roland Balzer                       Sonett nach aufgegebenem Endreim

© beim Autor                                     (Aufgabe von ZaunköniG)

 

Der Mann ist so korrupt
erfuhr man diesen Herbst
dass wenn das Fell Du ihm gerbst
sich seine Lederhaut als stärker noch entpuppt

Ja, schlag den Peter dass es schuppt,
ein Hartz-Antrag ist alles was Du erbst
Geh, Bauer, dass du nicht den Volker färbst,
den hat der Staatsanwalt gewuppt

Der Gerd schreibt stolzer als ein Schwan
dass die Reform nun wirke.
Die Automänner wirft es aus der Bahn.

Den Lüstling wandelte zum Schwein die Kirke,
von Brandt bis Bebel schauderts jeden Ahn
Und Zaunkönig schreibt was  von Birke!